RICHARD REED PARRY ist ein herausragender Mensch. Nicht nur, weil er einen Kopf größer ist als sein durchschnittlicher Mitbürger. Sondern eher noch, weil ihn jeder, der ihn mal auf einer Bühne gesehen hat, für den großartigsten Livemusiker der Welt halten muß. Bei THE ARCADE FIRE spielt er Baß, Gitarre, Marschtrommel und Percussion, sieht in seinem Konfirmandenanzug aus wie die Punkausgabe von Bill Gates und gerät jedes Mal derart in Rage, daß ihm die anderen schon einen Motorradhelm aufsetzen müssen, damit nichts passiert. Was er nebenbei mit dem BELL ORCHESTRE macht, klingt derweil, als habe es ihm sein Psychologe verordnet. Kammermusikalischer Post-Rock. Als Ausgleich. Zum Runterkommen.
Stillhalten kann PARRY (diesmal Kontrabaß, Keyboards und Percussion) trotzdem wieder keine fünf Minuten. Gemeinsam mit ARCADE FIRE-Geigerin SARAH NEUFELD, STEFAN SCHNEIDER (Schlagzeug), PETRI AMATO (Waldhorn und Elektronik) und KAVEH NABATIAN (Trompete und Melodica) verstrickt er sich in instrumentale, schleichende Songideen, die mal ausformuliert, mal als solche belassen und mit ziemlicher Verläßlichkeit irgendwann hektisch und nervös werden. Streicher und Bläser haben sich dabei nicht viel zu sagen, weil letztere ständig um Ruhe, um Ordnung und Angemessenheit bemüht sind, während erstere die meiste Zeit doch eher aufgekratzt rumzicken. Richtig, daß man sich davon an die Constellation-Musik von SILVER MT. ZION und Konsorten erinnert fühlen darf. Das BELL ORCHESTRE stößt nur sehr viel schneller zum Kern der Sache vor.
(pressetext daniel gerhardt)
Aktuelles Album: " Recording A Tape The Colour Of The Light" (EDEL)
Added by wiesengrund on June 2, 2006